Herzlich willkommen zum zweiten Teil der Artikelserie über Erziehungsstile. In diesem Artikel beschreibe ich euch, wie sich eine autoritative Erziehung auf die Entwicklung des Kindes auswirkt.
Dieser Artikel ist Teil der Serie: Erziehungsstile nach Baumrind
Autoritative Erziehung – Merkmale
Im Folgenden stelle ich euch noch mal die wichtigsten Merkmale der autoritativen Erziehung vor:
Anforderungen und Kontrolle
Bei einer autoritativen Erziehung stellen die Eltern recht viele Anforderungen an ihr Kind. Bei kleineren Kindern z.B. fördern und fordern sie, dass sich das Kind alleine anzieht oder alleine isst. Ältere Kinder sollen Aufgaben in der Familie übernehmen (z.B. den Tisch decken, Müll wegbringen, beim Abwasch helfen).
Sie überwachen und kontrollieren bis zu einem gewissen Grad das Verhalten des Kindes. Das tun sie aber so, dass sich das Kind nicht eingeschränkt oder gar unterdrückt fühlt.
Vertrauen und Autonomie
Häufig ist es so, dass die Eltern zwar viel vom Kind fordern, aber ihm glechzeitig auch sehr vertrauen und ihm viele Freiheiten zugestehen. Das betrifft dann z.B. auch die Freiheit, sagen zu können, dass das Kind irgendetwas nicht machen möchte.
Damit zusammen hängt auch, dass die Eltern die Autonomie des Kindes fördern. Und zwar nicht nur die physische Autonomie (alleine anziehen, Fahrrad fahren, zur Schule gehen), sondern vor allem auch die psychische Autonomie.
Bei der autoritativen Erziehung werden die Kinder dazu angeleitet, eigenständig zu denken, sich eine eigene Meinung zu machen und auch für die eigenen Interessen und Werte einzustehen.
Kommunikation
Bei der autoritativen Erziehung ist zudem eine offene Kommunikation sehr wichtig. Die Eltern sprechen mit dem Kind so, wie es für das Alter des Kindes angemessen ist. Und: Sie lassen auch das Kind sprechen, hören seine Meinung und versuchen darauf einzugehen.
In der Eltern-Kind-Kommunikation kann man gut erkennen, auf welchen Ebenen Eltern und Kind zueinander stehen. Gibt es einen deutlichen Machtunterschied (“Du tust, was ich dir sage!”) oder ist es eine gleichwürdige Kommunikation (“Ich möchte jetzt einfach nicht mehr weiter diskutieren.”)?
Der Anlass ist bei beiden Sätzen der gleiche. Aber die Art und Weise, wie Eltern antworten, zeigt, ob sie ihr Kind als vollwertigen Gesprächspartner sehen. Mehr über das Thema Gleichwürdigkeit in der Erziehung findet ihr auch in dem Buch(tipp) Dein kompetentes Kind.
Interesse
Die Eltern interessieren sich außerdem sehr für das Leben ihres Kindes. Welche Interessen hat es, welche Freunde, welche Hobbys? Was sind die Stärken des Kindes und welche Dinge liegen ihm nicht so sehr?
Wichtig ist hier, dass die Interessen des Kindes im Vordergrund stehen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass es oft eher die Interessen der Eltern sind, die eine Rolle spielen.
Dann soll das Kind früh Englisch lernen, weil die Eltern erwarten, dass das Kind dadurch einen Vorteil in der Schule oder im Beruf haben wird. Oder das Kind muss ein Instrument spielen, weil die Mutter schon immer Klavier spielen wollte.
Möglich ist auch, dass ein Kind wie selbstverständlich in die beruflichen Fußstapfen der Eltern tritt, weil alle in der Familie diesen Beruf ausüben.
Als Eltern sollte man sich immer kritisch fragen, für den diese “Fördermaßnahmen” eigentlich sind: für das Kind oder eher für sich selbst?
Autoritative Erziehung – Auswirkungen
Nun kommen wir dazu, wie sich eine autoritative Erziehung auf die Entwicklung des Kindes auswirkt. Dafür schauen wir uns verschiedene Bereiche an:
Schulische Leistungen
Häufig zeigen Kinder eine hohe Leistung in der Schule, wenn sie autoritativ erzogen werden. Die Kinder engagieren sich sehr in der Schule und haben üblicherweise positive Einstellungen zum Schulbesuch.
Es wird vermutet, dass die schulischen Leistungen bei diesem Erziehungsstil deswegen so hoch sind, weil die Kinder schon früh zum aktiven Problemlösen und kritischen Denken angeregt wurden.
Zwei weitere Merkmale führen zu besseren schulischen Leistungen bei den Kindern. Zum Einen haben sie eine höhere intrinsische Motivation, was die Schule betrifft.
Das bedeutet, dass sie von innen heraus motiviert sind, etwas für die Schule zu tun. Sie strengen sich also nicht nur an, weil das familiäre Umfeld sie zu guten Leistungen zwingt oder sie bei schlechten Noten zu Hause “Stress” bekommen.
Zum Anderen haben die Kinder eine größere Selbstwirksamkeitserwartung. Das heißt, dass sie an ihre Fähigkeiten glauben und dass sie davon überzeugt sind, verschiedenen schulischen Anforderungen auch gewachsen zu sein.
Anpassung und Problembewältigung
Weitere Studien zeigen, dass die Kinder günstige Bewältigungsstrategien haben. Das bedeutet, dass sie aktiv Probleme lösen anstatt Probleme zu verdrängen oder in sich hineinzufressen.
Sie sind außerdem emotional besser angepasst und zeigen weniger Verhaltsprobleme als Kinder, die nicht autoritativ erzogen wurden.
Es fällt auch auf, dass diese Kinder seltener Drogen (inkl. Alkohol und Nikotin) nehmen und seltener straffällig werden.
Selbstwahrnehmung, Depression und Mitgefühl
Es zeigt sich auch, dass die Kinder eine positivere Selbstwahrnehmung haben und seltener Symptome von Depression zeigen. Das große Vertrauen, das die Kinder in die eigenen Fähigkeiten haben, zeigt sich nicht nur im schulischen Bereich.
Auch in der Freizeit haben diese Kinder eine positive Einstellung gegenüber sich selbst. Daher könne sie gut mit anderen Kindern in Kontakt gehen und auch mit Konflikten angemessen umgehen.
Autoritativ erzogene Kinder zeigen auch mehr prosoziales, hilfsbereites Verhalten. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Kinder besser in der Lage sind, Mitgefühl für ihre Mitmenschen zu entwickeln.
Gewicht
Interessant ist auch die Beobachtung, dass Kinder bei autoritativer Erziehung seltener zu Übergewicht in der Grundschule neigen. Warum das so ist, ist aber noch nicht geklärt.
Es wäre z.B. möglich, dass durch ein Verbot von Süßigkeiten das Essen von Süßem besonders verlockend für die Kinder ist. Oder dass die Kinder versuchen, einen Mangel an Zuwendung durch ein Mehr an Essen auszugleichen.
Fazit
Ihr seht, es gibt zur autoritativen Erziehung viel zu sagen. Vielleicht ist euch auch aufgefallen, dass es überwiegend positive Dinge sind, die mit dieser Art der Erziehung einhergehen. Es ist daher nicht überraschend, dass viele Forschungsbefunde gezeigt haben, dass dieser Erziehungsstil für die Entwicklung des Kindes am besten ist.
Wir können uns daher als Eltern an dieser Stelle mal fragen: Wie gehe ich eigentlich mit meinem Kind um? Setze ich Grenzen und gebe Regeln vor?
Wenn ja, gibt es hier Handlungsspielräume für das Kind oder müssen die Dinge gemacht werden, weil ich “der Chef im Haus” bin? Gebe ich meinem Kind Zuwendung und Aufmerksamkeit? Oder ist es mir egal, was es macht?
Was denkt ihr? Ist es euch wichtig, auf welche Art und Weise ihr eurer Kind erzieht? Unterscheidet sich euer Erziehungsstil von dem eurer Eltern oder habt ihr ihren Erziehungsstil übernommen? Ich freue mich über eure Kommentare!
Hier geht es zum nächsten Artikel, in dem es um autoritäre Erziehung geht.
Literatur & Links
Baumrind, D. (1971). Current patterns of parental authority. Developmental psychology, 4, 1-103.
Carlo, G., McGinley, M., Hayes, R., Batenhorst, C., & Wilkinson, J. (2007). Parenting styles or practices? Parenting, sympathy, and prosocial behaviors among adolescents. The Journal of genetic psychology, 168, 147-176.
Grolnick, W. S., & Ryan, R. M. (1989). Parent styles associated with children’s self-regulation and competence in school. Journal of educational psychology, 81, 143-154.
Maccoby, E. E., & Martin, J. A. (1983). Socialization in the context of the family: parent-child interaction. In P. H. Mussen (Ed.), Handbook of child psychology, pp. 1-102. New York: Wiley.
Rhee, K. E., Lumeng, J. C., Appugliese, D. P., Kaciroti, N., & Bradley, R. H. (2006). Parenting styles and overweight status in first grade. Pediatrics, 117, 2047-2054.
Simons, L. G., & Conger, R. D. (2007). Linking mother–father differences in parenting to a typology of family parenting styles and adolescent outcomes. Journal of Family Issues, 28, 212-241.
Wolfradt, U., Hempel, S., & Miles, J. N. (2003). Perceived parenting styles, depersonalisation, anxiety and coping behaviour in adolescents. Personality and individual differences, 34, 521-532.
https://www.kita.de/wissen/autoritativer-erziehungsstil/
https://www.vaterfreuden.de/vaterschaft/erziehungsfragen/erziehung-mit-konsequenz-und-liebe-%E2%80%93-der-autoritative-stil
https://www.dr-gumpert.de/html/autoritative_erziehung.html