Vermutlich haben die meisten von uns schon mal die Erfahrung gemacht, dass Stress und Beziehungsprobleme nicht weit auseinander liegen. Paar-Stress-Modelle versuchen zu erklären, wodurch die Beziehungsprobleme zustande kommen. Wir werden uns daher mal zwei solcher psychologischen Modelle genauer ansehen:
- Das Vulnerabilität-Stress-Anpassungsmodell
- Das Stress-Scheidungsmodell
Danach werdet ihr einfacher nachvollziehen können, welche Auslöser in einer Partnerschaft zu Beziehungsproblemen und letztendlich auch zur Trennung führen können.
1. Das Vulnerabilität-Stress-Anpassungsmodel (Karney & Bradbury, 1995)
Bei dem Vulnerabilität-Stress-Anpassungsmodell (Vulnerabilität = ungünstige Gegebenheiten) wird angenommen, dass Stress in der Partnerschaft bzw. Ehe und Scheidung entsteht aufgrund einer Kombination von
- anhaltenden Vulnerabilitäten (z.B. durch eine schwierige Herkunftsfamilie oder problematische Persönlichkeitseigenschaften)
- stressreichen Ereignissen (z.B. kritische Lebensereignisse wie Todesfälle, Jobverlust, Schwangerschaft etc. oder belastende Lebensbedingungen) sowie
- ungünstigen Anpassungsprozessen (z.B. mangelndes Einfühlungsvermögen für und wenig Bereitschaft zur Unterstützung des Partners, feindseliges Problemlöseverhalten)
Je mehr dieser Faktoren auf die Partner zutreffen und je ausgeprägter sie sind, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit für Eheprobleme und Scheidungen. Insbesondere bei dauerhaftem, chronischem Stress ist zu erwarten, dass die Qualität der Ehe kontinuierlich absinkt.
2. Stress-Scheidungs-Modell (Bodenmann, 1995, 2000)
Beim Stress-Scheidungs-Modell stehen vor allem kleinere, alltägliche Stressoren im Mittelpunkt. Hier wird angenommen, dass vor allem diese Alltagsbelastungen, der Beziehung schaden.
Im Gegensatz zu kritischen Lebensereignissen (z.B. ein Arbeitsplatzverlust) werden alltägliche Belastungen oft nicht so bewusst wahrgenommen. Dennoch wirken sie konstant auf die einzelnen Partner und können zu einem langsamen Absinken der Beziehungsqualität führen.
Bei genauerer Betrachtung beeinflusst alltäglicher Stress die Beziehungsqualität durch:
- Weniger Zeit, die das Paar miteinander verbringt: Das führt zu weniger gemeinsamen Erfahrungen, einem geringeren Zusammengehörigkeitsgefühl und einer schlechteren gemeinsamen Problembewältigung.
- Schlechtere Kommunikation zwischen den Partnern: d.h. weniger positive, aber mehr negative Interaktionen zwischen den Partnern
- Ein höheres Risiko für physische oder psychische Probleme: z.B. Schlafstörungen, sexuelle Funktionsstörungen oder affektive (auf Emotionen bezogene) Störungen
- Eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass problematische Persönlichkeitsmerkmale zwischen den Partnern hervortreten (z.B. Ängstlichkeit oder Feindseligkeit.
All diese Faktoren könnten zur Entfremdung zwischen den Partnern führen. Bei Entfremdung handelt es sich um einen Zustand, in dem beide Partner wenig über den anderen wissen. Beide Partner entwickeln sich zwar weiter, sind aber nicht an der Weiterentwicklung des anderen beteiligt.
Je weniger die Partner von ihren Bedürfnissen und Interessen preisgeben, umso wahrscheinlicher können sich über die Zeit Konflikte entwickeln.
Dass sich die Beziehungsqualität zwischen den Partnern verschlechtert, ist dem Stress-Scheidungs-Modell zufolge darauf zurückzuführen, dass alltägliche Belastungen schlecht bewältigt werden.
Alltägliche Stressoren von außen führen also zu beziehungsinternem Stress, der sich negativ auf die Beziehungsqualität auswirkt.
Fazit
Nun habt ihr gesehen, wie Stress zu Beziehungsproblemen und infolgedessen zu Trennung führen kann. Findet ihr euch bzw. eure Beziehung in einem der Modelle wieder oder würdet ihr die Modelle noch ergänzen? Ich freue mich über eure Kommentare!
Wenn ihr euch dafür interessiert, wie man Beziehungsprobleme lösen kann, findet ihr in diesem Artikel ein paar Tipps dazu.
Literatur
Bodenmann, G. (1995). Bewältigung von Stress in Partnerschaften. Der Einfluss von Belastungen auf die Qualität von Paarbeziehungen. Bern: Huber.
Bodenmann, G. (2000). Stress und Coping bei Paaren. Göttingen: Hogrefe.
Karney, B. R. & Bradbury, T. N. (1995). The longitudinal course of marital quality and stability: A review of theory, method, and research. Psychological Bulletin, 118, 3-34.
https://www.welt.de/wissenschaft/article912387/Stress-der-schleichende-Tod-der-Liebe.html