Eine gute Freundin liegt mir schon seit Jahren damit in den Ohren, dass ich endlich mal das Buch „Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn: Der entspannte Weg durch Trotzphasen“ lesen soll. Im Jahr 2016 erschienen, hätte es auch zeitlich gut gepasst, denn in diesem Jahr wurde unser erstes Kind geboren. Die erste Zeit war dann auch immer wieder mal vom üblichen „Wahnsinn“ geprägt, den neue Elternschaft so mit sich bringt.
Ich hatte dieses Buch also stets im Hinterkopf, aber am Ende doch nie gekauft. Im August 2020 dann sollte das mittlerweile dritte Buch der Autorinnen erscheinen: „Das Geschwisterbuch“. Ich erinnerte mich an die Empfehlung meiner Freundin und dachte mir: Das passt ja! Unser zweites Kind war schon unterwegs und es würde sicher nicht schaden, sich auf das Thema Geschwisterkinder vorzubereiten.
So habe ich keinen Moment gezögert und das Buch sofort vorbestellt. Ich hatte recht hohe Erwartungen an das Buch, einfach weil die anderen beiden Bücher schon so erfolgreich waren. Und ich wurde nicht enttäuscht. Warum ich das Buch gut finde, erfahrt ihr im restlichen Artikel.
Über die Autorinnen:
„Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn: Das Geschwisterbuch“ wurde von Katja Seide und Danielle Graf geschrieben. Katja Seide arbeitet als Sonderpödagogin an einer Grundschule und hat selbst drei Kinder. Danielle Graf ist Rechtsökonomin und hat zwei Kinder, außerdem beschäftigt sie sich in ihrer Freizeit mit allen möglichen Themen rund ums Kind.
Beide Frauen haben sich zusammengetan und betreiben seit 2013 einen gemeinsamen Blog. Nach dem ersten Buch „Der entspannte Weg durch Trotzphasen“ (2016) folgte das zweite Buch „Gelassen durch die Jahre 5-10“ (2018). Mit dem dritten Buch „Das Geschwisterbuch“ (2020) runden sie ihre Kompetenzen als Erziehungsratgeberinnen weiter ab. Denn in diesem Buch fokussieren sie sich nicht nur auf die Bedürfnisse eines einzelnen Kindes. Sie betrachten auch das Beziehungsgefüge zwischen den Geschwisterkindern und die Rolle, die wir Eltern dabei einnehmen.
Inhalt:
Der erste Liebeskummer
Nach der Einleitung beschreiben die Autorinnen im ersten Kapitel Der erste Liebeskummer unter anderem, was es mit der nachgeburtlichen Geschwisterkrise auf sich hat. Es wird erklärt, wie sich diese Krise beim Erstgeborenen äußern kann: Nämlich durch Aggressionen (wenn es z.B. seine Eltern haut, beißt oder kratzt), Regression (wenn es wieder zum Baby wird) oder Rückzug (wenn es still leidet und sehr ruhig wird). Auch wenn das große Kind nach der Geburt des Geschwisterkindes besonders viel jammert oder provoziert, Dinge kaputt macht oder bei allem erster sein will, kann das ein Ausdruck der Geschwisterkrise sein.
Das Erstgeborene auffangen
Im Kapitel Das Erstgeborene Auffangen erfahren wir, wie wir die Bedürfnisse des großen Kindes erkennen und auf dessen Bedürfnis nach Aufmerksamkeit eingehen können. Interessanterweise wird hier Bezug auf das Buch Die 5 Sprachen der Liebe von Gary Chapman genommen. Für dieses Buch hatte ich erst kürzlich eine Empfehlung ausgesprochen, weil ich die Inhalte sowohl für die Gestaltung der Paarbeziehung als auch für die Eltern-Kind-Beziehung als sehr bereichernd empfand. Die Leser erhalten in diesem Kapitel also gleich 5 konkrete Maßnahmen, wie sie ihrem Kind Aumerksamkeit und damit auch Liebe schenken können.
Weitere Möglichkeiten, um das große Kind behutsam aufzufangen, sind das gemeinsame Spiel (hier werden verschiedene Varianten vorgestellt) und das Aktive Zuhören nach Thomas Gordon. Hierfür werden 10 elterliche Kommunikationsstrategien erläutert, die nicht für aktives Zuhören stehen und die wir im Gespräch mit unseren Kindern möglichst vermeiden sollten (zumindest, wenn wir ernsthaft an den wahren Beweggründen des Kindes interessiert sind). Hier habe ich erst mal die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, weil mir einige der Strategien doch sehr bekannt vorkamen.. Für jede ungünstige Strategie wird zugleich ein Gegenbeispiel angeführt, welches zeigt, wie das Gespräch unter Einsatz des aktiven Zuhörens ablaufen würde.
Geschwisterliebe anbahnen
Im dritten Kapitel Geschwisterliebe anbahnen wird erklärt, wie Bindung überhaupt entsteht und wie die Eltern es unterstützen können, dass sich zwischen den Geschwistern eine Bindung entwickelt. Das kann z.B. durch Körperkontakt oder im gemeinsamen Spiel geschehen. Es wird auch darauf eingegangen, welche Möglichkeiten es für „Bonusfamilien“ gibt, um eine gute Beziehung zwischen den Neu-Geschwistern zu ermöglichen.
Geschwisterliebe erhalten
Im Kapitel Geschwisterliebe erhalten geht es darum, dass wir unsere Kinder bedingungslos lieben sollten, und zwar für das, was sie sind und nicht für das, was sie tun. Außerdem sind wir als Eltern gut beraten, wenn wir Machthierarchien oder Wettbewerb zwischen den Geschwistern vermeiden und nicht permanent eines der Kinder bevorzugen. Es wird auch erklärt, dass die großen Kinder nicht unsere persönlichen Helfer sind – die Entscheidung für eine weiteres Kind lag in der Hand der Eltern, also sind diese auch zuallererst in der Verantwortung, für das Wohl aller Familienmitglieder zu sorgen.
Geschwister außerhalb der Norm
Das Kapitel Geschwister außerhalb der Norm beschäftigt sich umfassend mit der Frage, wie man für eine gute Beziehung zwischen allen Familienmitgliedern sorgen kann, wenn eines der Kinder eine Behinderung hat. Es wird beschrieben, was das größere Kind durchlebt, und inwiefern sich seine Erfahrungen von denjenigen Kindern unterscheiden, die kein Geschwisterkind mit besonderen Bedürfnissen haben. Die Eltern bekommen hier viele praktische Hinweise darauf, worauf sie beim großen Kind, aber auch bei sich selbst achten müssen.
Geschwisterstreit liebvoll begleiten
Im Kapitel Geschwisterstreit liebvoll begleiten wird beschrieben, worüber Geschwisterkinder so streiten können (z.B. um die Aufmerksamkeit der Eltern, wegen vermeintlicher Ungerechtigkeiten, aufgrund von kognitiver bzw. körperlicher Unreife, wegen Grenzüberschreitungen oder Minderwertigkeitsgefühlen, etc.). Für jedes Streitthema wird aufgezeigt, welche Möglichkeiten Eltern haben, um darauf zu reagieren.
Geschwisterhass auflösen
In dem Kapitel Geschwisterhass auflösen geht es um das Thema Mobbing zwischen Geschwisterkindern. Ihr habt richtig gelesen, Mobbing! Ich war etwas schockiert, als ich mir diesen Abschnitt durchgelesen hatte – dachte ich doch bis vor kurzem, dass Mobbing, also richtiges Mobbing (d.h. systematische Schikane einer Person über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten) eher außerhalb von Familien zu finden ist. Jedenfalls wird hier Schritt für Schritt beschrieben, wie Eltern und ihr Netz aus Unterstützern (denn ohne das geht es nicht!) dem Mobbing unter Geschwistern entgegentreten können.
Streit fair zu begleiten ist schwer
Das letzte Kapitel lautet Streit fair zu begleiten ist schwer. Die Problematik besteht z.B. darin, dass es Situationen gibt, in denen Eltern nicht neutral sein können. Das kann dazu führen, dass sie einen Streit möglicherweise nicht fair begleiten. Auch kann es sein, dass Eltern aufgrund ihrer eigenen Geschwistererfahrungen Situationen zwischen den Geschwisterkindern fehlinterpretieren. Durch ihre fehlgeleiteten Assoziationen sind sie „blind“ für das eigentliche Problem, sodass sie dann auch keine optimalen Streitbegleiter sein können.
Ein weiterer Punkt ist das Thema der elterlichen Wut, die bei Geschwisterstreit hochkommen kann. Hier werden Tipps gegeben, wie man mit der aufsteigenden Wut umgehen kann (z.B. aus der Situation gehen, die Situation uminterpretieren, auf das eigene, gewünschte Verhalten fokussieren etc.).
Am Ende des Buches wird noch mal deutlich gemacht, dass es in Geschwisterbeziehungen auch viele schöne Momente gibt, die das Herz der Eltern erwärmen. Es gibt also nicht nur eine Reihe von möglichen Problemen, die zwischen Geschwistern auftreten können, sondern in der Regel auch schöne Erlebnisse, an die sich die Eltern zurückerinnern können.
Fazit:
Ich liebe praktische Bücher. Bücher, in denen man als Leser ganz viele Ideen an die Hand bekommt, wie man das erörterte Thema auch im Alltag gut umsetzen kann. Und ich muss sagen, an Praxisbeispielen und Handlungsempfehlungen ist dieses Buch nicht zu toppen.
In jedem Kapitel gibt es echte Situationsbeschreibungen, anhand derer die zugrundeliegenden Prozesse, die beim Kind ablaufen, erklärt werden. Für die Leser wird verständlich dargestellt, warum sich ein Kind auf eine bestimmte Art und Weise verhält und wie man die Situation zum Positiven hin verändern kann. Es wird auch immer mal wieder erläutert, weshalb klassische (man könnte auch sagen: veraltete) Erziehungsmethoden in vielen Situationen nicht hilfreich sind.
Das Buch zeichnet sich außerdem durch seine wissenschaftliche Fundierung aus. Selten habe ich bei einem Ratgeber so viele Literaturangaben gesehen und so viele Forschungserkenntnisse, die den Ausführungen im Text als Grundlage dienen. Es ist beeindruckend, wie die Autorinnen es schaffen, geballte Praxis mit wissenschaftlicher Expertise so konzentriert, aber dennoch stimmig auf kleinem Raum zusammenzuführen.
Bei alldem gelingt es aber den Autorinnen, sich nicht über die Leser zu stellen. Denn in diesem Buch wird nicht mit gehobenem Zeigefinger ermahnt und korrigiert. Es ist ein Buch, das auf Augehöhe geschrieben ist. Ein Buch, in dem die Autorinnen nicht müde werden darauf hinzuweisen, dass auch Eltern nur Menschen sind. Menschen, die Fehler machen, Menschen die aus ihren Fehlern lernen wollen. Das macht das Buch nicht nur sympathisch, sondern auch authentisch und glaubwürdig.
Es ist daher wohl keine Überraschung, dass ich das Buch gerne weiterempfehle. Für alle, die bereits mit mehreren Kindern zu Hause leben oder diejenigen, auf die das bald zukommen wird. Für viele knifflige Situationen bekommt man hier Tipps und Tricks geliefert, die dabei helfen können, die Geschwister- und Eltern-Kind-Beziehung zu verbessern.
Solltet ihr euch für das Buch interessieren, könnt ihr es hier (*) kaufen.
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Ich finde das diese Bücher unendlich Wertvoll sind und man davon viel lernen kann. Lernen wie man dem Kind das Geschwisterchen näher bringt ohne das jemand zurück stecken muss. Nicht einfach und doch unendlich wichtig.
Liebe Grüße
Julia
Liebe Julia,
Das finde ich auch! Die Kunst wird dann sein, die Ideen aus dem Buch gut in die Praxis umzusetzen. Da bin ich noch gespannt, wie das funktionieren wird.
Viele Grüße
Mady
Liebe Mady,
tatsächlich lese ich ja gerne, nur komischerweise keine Ratgeber. Dieses Buch wurde mich auch schon oft von Freundinnen empfohlen und ich war schon neugierig auf das Buch. Nur gekauft habe ich es bisher noch nicht. Doch deine Review hat mich echt überzeugt, denn es scheint wirklich einen großen Mehrwert zu haben.
Liebe Grüße
Mo
Ein Ratgeber, der wirklich weiterhilft ohne erhobenen Zeigefinger, das ist schon einmal ein großes Lob. Ich werde öfter in der Praxis nach einem Buchtipp zu „Geschisterthemen“ gefragt, jetzt habe ich einen, danke.
Alles Liebe
Annette
Liebe Annette,
gerne, das sehe ich auch so. Ich habe das Buch nun auch schon mehrmals weiterempfohlen.
Viele Grüße
Mady