Wir haben in einem anderen Artikel schon gelesen, dass es die Karriere beeinträchtigen kann, wenn Väter eine längere Elternzeit nehmen als die zwei Vätermonate.
Doch wie sieht es bei den Müttern aus? Haben auch sie im Job damit zu kämpfen, wenn sie sich bei der Dauer ihrer Elternzeit nicht so verhalten, wie es die Rolle einer typischen Frau vorgibt? Das alles werden wir in diesem Artikel besprechen.
Was ist typisch weiblich?
Zunächst erinnern wir uns noch mal daran, was eigentlich „typisch“ weiblich ist: nämlich Merkmale wie Wärme, Fürsorge und Kommunikationsstärke. Wenn diese klischeehaften Zuschreibungen übernommen und verinnerlicht werden, spricht man von (weiblichen) Geschlechterstereotypen.
In Sachen Geschlechtersterotypen hat sich ja glücklicherweise in den letzten Jahrzehnten hierzulande einiges getan. Aber trotzdem gibt es immer noch genügend Menschen, die an diesen Geschlechterstereotypen festhalten. Andere Menschen werden dann immer danach beurteilt, ob sie diese Stereotype erfüllen.
Und genau diese Menschen nehmen vermutlich auch an, dass Mütter „wie dafür gemacht sind“, mit dem Nachwuchs zu Hause zu bleiben und ihn zu versorgen.
Regionale Unterschiede bei der Dauer der Elternzeit
Je nachdem in welcher Region man lebt, gibt es unterschiedliche gesellschaftliche Erwartungen dahingehend, wie lange die Mutter in Elternzeit gehen sollte. Für den Großteil der Mütter in den neuen Bundesländern ist es üblich, nach einem Jahr wieder im Beruf einzusteigen.
Dagegen kommt es in den alten Bundesländern häufiger vor, dass Mütter zwei oder drei Jahre zu Hause bleiben. Das ist zumindest meine (jedoch nicht allumfassende) Erfahrung.
Das bedeutet schon mal, dass mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen wird, je nachdem in welcher Region wir uns befinden. Und manchmal finden sich diese Unterschiede auch innerhalb einer Stadt, wenn man sich verschiedene Stadtteile ansieht.
Wann weichen Mütter von der Norm ab?
Insgesamt kann man sagen, dass Mütter sich dann nicht typisch weiblich verhalten, wenn sie zu weit nach unten von der jeweiligen Norm abweichen.
Das heißt, dass eine Mutter in den neuen Bundesländern nach der Backlash-Theorie als weniger sozial und fürsorglich bewertet wird, wenn sie nur ein halbes Jahr oder weniger Zeit in Elternzeit verbringt.
In den alten Bundesländern wäre dieser Punkt schneller erreicht. Hier werden Mütter möglicherweise schon als weniger warm und sozial bewertet, wenn sie nach einem Jahr wieder in den Beruf einsteigen.
Konsequenzen einer kurzen Elternzeit
Aber das Problem sind nicht nur die negativen Kommentare, die von Kollegen, Verwandten und Bekannten kommen könnten (das könnte man ja getrost ausblenden). Es kann auch Folgen für den Berufsweg der Frau haben, wenn ihr wegen einer kurzen Elternzeit die soziale Kompetenz abgesprochen wird.
Eine Studie von Hipp (2018) zeigte, dass Mütter seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen wurden, wenn sie nur zwei (statt zwölf) Monate Elternzeit nahmen. Außerdem wurden diese Mütter als egoistisch und feindselig wahrgenommen. Klar, dass man so eine Person nicht gerne in seinem Team haben möchte.
Diese negativen Einschätzungen basieren hier wieder auf dem Backlash Effekt. Frauen werden bestraft, weil sie sich nicht „typisch“ weiblich verhalten (was Männern übrigens genauso passieren kann).
In einem weiteren Experiment von Hipp (2018) zeigte sich, dass Mütter mit einer längeren Elternzeit als intelligenter eingeschätzt wurden. Außerdem sagte man diesen Müttern nach, dass sie besser zuhören können und dass sie warmherziger und gutmütiger seien.
Diese neuere Forschungsarbeit zeigt auf, dass Frauen im Berufsleben benachteiligt sein könnten, wenn sie nach zwei Monaten Elternzeit bzw. Mutterschutz wieder arbeiten.
Ich persönlich denke aber, dass es auch auf das Unternehmen selbst ankommt. Herrscht dort ein familienfreundliches oder ein familienfeindliches Klima? Steht Arbeit und Leistung des Mitarbeiters an erster Stelle oder ist das Unternehmen auch bemüht, dass sich die Mitarbeiter wohl fühlen?
Meine Vermutung ist, dass die (negativen) Effekte umso schwächer ausfallen, je toleranter und offener das Unternehmen ist. Dann sollte es nämlich keinen Unterschied machen, ob die Bewerberin 2, 12 oder 36 Monate Elternzeit genommen hat. Das würde ich zumindest von einem neutralen Personalauswahlverfahren erwarten.
Elternzeit – Auswirkungen in der Praxis
Ich frage mich dennoch, was das Ganze in der Praxis zu bedeuten hat. Könnte es tatsächlich Mütter geben, die sich bewusst gegen eine kurze Elternzeit entscheiden, weil sie Angst vor den negativen sozialen oder beruflichen Folgen haben? Oder unbewusst eine bestimmte Dauer der Elternzeit anstreben, weil sie die Erwartungen der Gesellschaft an die Mutterrolle besonders gut erfüllen wollen?
In meinem Bekanntenkreis kenne ich ein einziges Elternpaar, das sich die Elternzeit gleichmäßig untereinander aufgeteilt hat. So weit ich weiß, hatte keiner der beiden deswegen mit negativen sozialen oder beruflichen Konsequenzen zu kämpfen. Das könnte aber auch daran liegen, dass beide in einem toleranten Umfeld leben und arbeiten.
Was denkt ihr darüber? Kennt ihr Personen, auf denen das Beschriebene zutrifft? Oder denkt ihr, dass eher pragmatische Gründe beeinflussen, wie lange Mütter und Väter in Elternzeit gehen? Ich freue mich über eure Kommentare!
Literatur & Links
Hipp, L. (2018). Damned if you do, damned if you don’t? Experimental evidence on hiring discrimination against parents with differing lengths of family leave. Retrieved from https://doi. org/10.31235/osf. io/qsm4x.
Der Link zum PDF der Studie : https://osf.io/preprints/socarxiv/qsm4x/download
Liebe Mady,
Das ist ein spannender Ansatz – ich kenne es eher so, dass Müttern die Elternzeit eher die Karriere kaputt macht. „Zu lange raus aus dem Job“, an niedrigerer Stelle wieder einsteigen müssen, weniger Gehalt bekommen und im Alter durch die Pause weniger Rente. Umso befremdlicher eigentlich, wenn man dann Müttern durch eine kürzere Elternzeit auch noch Steine in den Weg legt und sie als kalt oder egoistisch abstempelt… Wir leben wahrlich in einer merkwürdigen und immer noch stark von Männern dominierten Gesellschaft.
Interessantes Phänomen, was Du da beschreibst. Für mich war das als solches nie ein Thema, weil ich immer selbstständig war und da gab es keine Elternzeit. Leicht war das auch nicht, aber immerhin hatte ich die hier beschriebenen Probleme schon mal nicht. 🙂
Wenn ich es mir heute aussuchen könnte, würde ich mich wohl für eine Elternzeit zu gleichen Teilen entscheiden.