„Die Diagnose traf mich wie ein Schlag.“ So oder so ähnlich beschreiben Eltern ihre ersten Gefühle, nachdem bei Ihrem Kind eine Behinderung festgestellt wurde. Die meisten fühlen sich wie gelähmt und wissen nicht, was als nächstes zu tun ist. Es ist hilfreich, wenn Eltern sich zügig Unterstützung suchen, denn sie müssen den Weg nicht alleine gehen. Welche Möglicheiten der Teilhabe es für Kinder mit Behinderung gibt, wird im Folgenden näher beschrieben.
Seit 2018 gibt es in vielen Städten und Kreisen die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB). Hier können sich Menschen mit einer (drohenden) Behinderung und deren Angehörige zu allen Themen der Rehabilitation und Teilhabe beraten lassen. Eltern können das Angebot der EUTB zum Beispiel nutzen, um sich vor und während der Beantragung von Leistungen begleiten und unterstützen zu lassen. Zudem können Eltern die Angebote entsprechender Fachberatungsstellen, Frühförderstellen und Dienste in Anspruch nehmen, um ein möglichst gutes Unterstützungsnetzwerk für ihr Kind aufzubauen.
Wichtig ist: Eine Diagnose ist und bleibt eine Diagnose. Sie sagt nichts über die individuellen Stärken und Ressourcen eines Kindes aus, sondern dient lediglich dazu, dem betroffenen Kind die entsprechenden Unterstützungsangebote zukommen zu lassen.
Im Beratungsalltag erlebe ich es häufig, dass mich Angehörige oder betroffene Ratsuchende kontaktieren, die erst im Erwachsenenalter eine Diagnose erhalten haben – häufig aus dem Kreis der Autismus Spektrum Störung. Meist haben die Betroffenen einen langen Leidensweg hinter sich, der Ihnen durch eine frühere Diagnostizierung und Anerkennung ihrer Behinderung zumindest teilweise erspart geblieben wäre.
Welche Hilfen kann ich beantragen?
Folgende Möglichkeiten der Teilhabe für Kinder mit Behinderung gibt es:
1. Schwerbehindertenausweis beantragen
Ein Schwerbehindertenausweis kann einen Nachteilsausgleich für Menschen mit einer Beeinträchtigung beinhalten. Je nachdem welchen Grad der Behinderung (GdB) und welche Merkzeichen der Mensch vom Versorgungsamt zugesprochen bekommt, reicht der Nachteilsausgleich über einen besonderen Kündigungsschutz am Arbeitsplatz bis hin zu der kostenfreien Mitnahme einer Begleitperson im öffentlichen Personennahverkehr.
Um einen Schwerbehindertenausweis zu erhalten, muss man beim zuständigen Versorgungsamt einen Antrag auf die Feststellung des Grades der Behinderung stellen. Das Versorgungsamt prüft den Antrag dann nach Aktenlage. Wichtig bei der Antragstellung; immer die vorliegenden ärztlichen Befundberichte gleich in Kopie mitschicken und vor der Beantragung bereits die Hausärzt*innen und Fachärzt*innen über das Vorhaben informieren.
2. Pflegegrad beantragen
Seit der Einführung der fünf Pflegegrade im Januar 2017 ist es wesentlich leichter geworden, Unterstützung durch die Pflegekasse zu erhalten. Der Antrag muss bei der Pflegekasse des Kindes gestellt werden. Auch hier empfehle ich: dem Antrag sollten vorhandenen Arztberichte beigefügt werden. Nach der Antragsstellung wird der medizinische Dienst der Krankenkasse (MDK) den Kontakt aufnehmen. Der MDK überprüft in einem persönlichen Gespräch die Fähigkeiten und Beeinträchtigungen des Kindes, um es in den passenden Pflegegrad einzustufen. Einen Überblick über die Pflegegrade und den Leistungsanspruch gibt es unter diesem Link.
Wichtig: ab dem Pflegegrad 1 gibt es einen Entlastungsbetrag von 125 Euro. Der Betrag dient dazu, z.B. durch Tätigkeiten im Haushalt Entlastung zu erhalten. Das Geld wird nicht auf das Konto der Familie Konto überwiesen, sondern muss direkt von einem Dienst mit der Pflegekasse abgerechnet werden. Mittlerweile gibt es Dienste, die sich nur auf den Entlastungsbetrag spezialisiert haben.
3. Teilhabeassistenz
Im Kindergarten, in der Schule und auch in privaten Bereichen hat das Kind im Rahmen der Eingliederungshilfe ggf. einen Anspruch auf die Unterstützung durch eine Teilhabeassistenz. Die Teilhabeassistenz soll Menschen mit einer Behinderung befähigen, vollständig am sozialen und gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können.
Um Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe zu bekommen, muss ein schriftlicher Antrag gestellt werden. Bei welcher Stelle der Antrag gestellt werden muss, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich und kann unter diesem Link eingesehen werden.
Empfehlenswert ist es, vorab die Beratung durch die EUTB oder direkt bei Anbietern von Eingliederungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Bei der Beratung kann geklärt werden, ob eine Teilhabeassistenz für das Kind in Frage kommt und ob die Leistungen kostenfrei sind.
Links
Regionale EUTB Beratungsangebote:
https://www.teilhabeberatung.de/artikel/erganzende-unabhangige-teilhabe-beratung
Weiterführende Informationen rund um das Thema Schwerbehindertenausweis:
https://www.familienratgeber.de/schwerbehinderung/schwerbehindertenausweis/schwerbehindertenausweis.php
Dienste, die sich auf den Entlastungsbetrag spezialisiert haben:
https://www.hilfswerk.de/