– Interview mit einer erfahrenen Pädagogin –
„Ist Dein Kind immer noch nicht trocken?“
Sei es der Spielplatzbesuch oder der jährliche Kinder-TÜV des Kinderarztes. Die Fragestellung, ob das eigene Kind nun endlich keine Windel mehr braucht, scheint einen sehr hohen gesellschaftlichen Stellenwert zu haben.
Teilweise sehr intim und ein Stück weit übergriffig wird ausführlich über sämtliche Ausscheidungen des Kindes gesprochen. Wir fragen in der Regel unsere Gegenüber auch nicht, ob sie nach der Zwillingsschwangerschaft inkontinent sei.
Bei Kindern ist diese Schamgrenze sehr schnell über Bord geworfen, wenns es ums Trocken werden geht – und ein gesellschaftlicher Druck kann entstehen. Zweifel und Unsicherheit können entstehen, ob es vielleicht wirklich an der Zeit ist, das Töpfchentraining konsequenter in den Alltag zu integrieren.
Stress und Zwang vermeiden
„Druck sollte unbedingt vermieden werden und kann im schlimmsten Fall zu sehr ernsten körperlichen sowie seelischen Problemen führen. Viele Eltern hören nicht auf ihr Gefühl, sondern lassen sich schnell durch äußere Faktoren beeinflussen“, sagt Emilia, erfahrene Erzieherin einer U3-Kindertagesstätte.
„Ich betreute einen kleinen 3-jährigen Jungen, welcher vehement den geplanten Toilettengang boykottierte. Die Mutter wurde zunehmend angespannter und übte zuhause sehr viel Druck auf das Kind aus, um ihn endlich für ein Töpfchen begeistern zu können. Nach einiger Zeit befanden sich kaum bis keine Ausscheidungen mehr in der Windel. Es kam zu einer schlimmen Verstopfung, die sogar stationär behandelt werden musste.“
Trocken werden als Reifeprozess
Für unser Gehirn beginnt bereits vor der Geburt ein sehr langer Reifeprozess. Die Steuerung des Schließmuskels ist ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren, bestehend aus dem zentralen Nervensystem, Muskeln sowie der Bildung von körpereigenen Hormonen.
Wie bei allen Entwicklungsschritten ist jedes Kind ein Individuum und benötigt seine ganz eigene und individuelle Zeitspanne.
Der richtige Zeitpunkt
„Ich rate den Eltern, nicht zu lange zu warten, da bereits etablierte Gewohnheiten schwer abzulegen sind, aber dennoch nicht zu früh zu starten.“ Forscher der Universität Magdeburg empfehlen eine Altersspanne zwischen 18-36 Lebensmonaten für den Beginn der Sauberkeitserziehung.
Die beste Jahreszeit für die ersten Versuche ist für die meisten Eltern der Sommer. Das Kind kann öfter nackt durch den Garten laufen, da es die Temperaturen zulassen und somit ganz bewusst seinen Körper wahrnehmen und kennenlernen.
Bücher zur Unterstützung des Prozesses
Emilia erzählt, dass sie in ihrem Kindergartenalltag viel auf Bücher (*) zurückgreift. Spielerisch lernen die Kinder und können Gesehenes leicht selbstständig anwenden. Kinder sind Nachahmer. Sie spiegeln ganz unkompliziert unser vorgelebtes Verhalten, ohne viele Gedanken, und machen es somit zu ihrer eigenen Realität.
„Bücher können Wunder bewirken. Während der ersten zaghaften Versuche kann man sich gemeinsam Bücher anschauen, um das Kind abzulenken oder ein Buch im Vorfeld zum Erklären nutzen. Kinder verstehen in der Regel zunächst nicht, was wir von ihnen möchten. Warum soll ich mich da jetzt auf dieses kalte ungemütliche Ding setzen, wenn ich doch bisher immer eine Windel getragen habe?“
Trocken werden mit positiven Dingen verbinden
„Bitte feiern sie jedes Mal eine kleine Party, auch wenn es nicht funktioniert hat,“ sagt Emilia. „Es ist unglaublich wichtig, dass Ihr Kind kein Gefühl des Scheiterns vermittelt bekommt. Scheitern und daraus resultierende Ängste können sich im schlechtesten Fall tief in der kleinen Kinderseele verankern. Positive Glaubenssätze unterstützen die Entwicklung des Kindes maßgeblich und helfen auch in zunächst ausweglosen Situationen, Vertrauen in sich selbst aufzubauen.“
Fazit
So viele Unterschiede es in der Entwicklung des Kindes gibt, so viele unterschiedliche Herangehensweisen gibt es auch bei der Thematik rund um das Thema Trockenwerden.
In einer achtsamen und behutsamen Erziehung wird schnell sichtbar, wann der richtige Zeitpunkt für erste Versuche ist. Spielerisch, ohne Druck und mit ganz viel Zeit und Geduld wird jedes Kind über kurz oder lang der geliebten Windel adé sagen.
Und dann fängt der „Spaß“ erst richtig an… “Mama, ich muss Pipi!“ Denn alle anderen Toiletten sind bekanntlich immer am spannendsten.
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