Wie wird man Psychotherapeut?

wie wird man psychotherapeut

Immer wieder stößt man auf überraschte Gesichter, wenn man als Psychologe sagt, dass man sich mit Psychotherapie nicht auskennt, ja gar nichts damit zu tun hat. Inwiefern sich die Täigkeiten von Psychologen und Psychotherapeuten inhaltlich unterscheiden, wurde im Artikel Unterschied Psychologe Psychotherapeut bereits erläutert.

Es bleibt für viele Interessierte aber die Frage: Wie wird man Psychotherapeut? Dieser Artikel geht der Frage nach, auf welchem Wege man in Deutschland Psychotherapeut werden kann. Das ist wichtig, denn schon im Nachbarland Österreich gibt es andere Anforderungen an die erforderlichen Qualifikationen eines Psychotherapeuten. Daraus folgt, dass die Berufe länderübergreifend nur bedingt miteinander vergleichbar sind.

Welche Möglichkeiten gibt es zur Ausübung von Psychotherapie?

Eines vorweg: Die Berufsbezeichnung des Psychotherapeuten ist in Deutschland gesetzlich geschützt. Daher dürfen sich nur Ärzte oder Psychologen/Pädagogen als Psychotherapeuten bezeichnen und Patienten behandeln, wenn sie eine entsprechende Aus- bzw. Weiterbildung absolviert haben. Im folgenden werden die Ausbildungswege für die jeweils möglichen Berufswege, ergänzt um den Heilpraktiker für Psychotherapie, detailliert vorgestellt:

1. Voraussetzung Psychologiestudium:
Psychologischer Psychotherapeut,
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

2. Voraussetzung Medizinstudium:

Ärztlicher Psychotherapeut
3. Voraussetzung Prüfung beim Gesundheitsamt:
Heilpraktiker für Psychotherapie

1. Psychologischer Psychotherapeut, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut

Für den psychologischen Psychotherapeuten muss man zunächst ein Psychologiestudium absolvieren (3 Jahre Bachelorstudium + 2 Jahre Masterstudium) und dann die Psychotherapieausbildung anschließen (3 Jahre in Vollzeit bzw. 5 Jahre in Teilzeit). Für die Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten werden nicht nur Psychologen, sondern auch Absolventen der Studiengänge (Sozial-)Pädagogik oder Lehramt zugelassen.

Das Studium selbst ist in der Regelstudienzeit zu schaffen, wenn man nicht zu viele Verpflichtungen (Arbeit, Kinder, eigene Erkrankungen etc.) hat. Bei der Ausbildung hingegen scheinen die 3 Jahre in Vollzeit auch bei günstigen Voraussetzungen eher unrealistisch zu sein, so dass man hier auch gut und gerne mit 4-5 Jahren rechnen kann.

Nach diesem Modell erhalten die Absolventen ihre Approbation erst nach Abschluss der Therapeutenausbildung. Approbation heißt, dass der Psychotherapeut die staatliche Erlaubnis erhält, Heilkunde auszuüben. Bei diesem Modell darf man also erst nach rund 8-jähriger Qualifikation selbstständig und eigenverantwortlich psychotherapeutische Behandlungen durchführen.

PiA – Psychotherapeuten in Ausbeutung?

Der Nachteil an diesem System ist, dass angehende Psychotherapeuten im ersten Teil ihrer Ausbildung häufig sehr schlecht bis gar nicht bezahlt werden. Die rechtliche Gestaltung des Programms als “Ausbildung” erlaubt es den ausbildenden Kliniken, Master-Absolventen als billige Vollzeit-Arbeitskräfte für die psychotherapeutische Arbeit zu nutzen.

So ergab es sich dann auch, dass in Psychologie-Kreisen das Kürzel PiA (Kurzform für “Psychotherapeuten in Ausbildung“) uminterpretiert wurde zu “Psychotherapeuten in Ausbeutung“. Viele Jahre und zahlreiche Proteste waren erforderlich, bis sich an diesem Zustand etwas ändern sollte.

Psychotherapiereform 2020

Seit 1999 regelt das deutsche Psychotherapeutengesetz die Anforderungen und Ausbildungswege, die für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugndlichenpsychotherapeuten gelten. Nach vielen Bemühungen des Berufsstandes wurde am 22. November 2019 das neue Psychotherapeutengesetz verabschiedet, welches am 1. September 2020 in Kraft getreten ist.

Die wichtigsten Änderungen im Vergleich zum alten Modell sind:

  • Wer eine Tätigkeit als Psychotherapeut anstrebt, muss nach neuer Regelung nicht mehr Psychologie, sondern den Studiengang Psychotherapie absolvieren.
  • Bereits nach dem Masterabschluss (d.h. nach 5 Jahren Studium) erhalten die Absolventen ihre Approbation und damit die Erlaubnis, die psychotherapeutische Heilkunde eigenverantwortlich auszuführen.
  • Nach dem Abschluss des Studiums wird keine Ausbildung, sondern eine Weiterbildung begonnen, und zwar zum Fachpsychotherapeuten für Erwachsene (ehemals Psychologischer Psychotherapeut) bzw. Fachpsychotherapeuten für Kinder und Jugendliche (ehemals Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut). Die Weiterbildung dauert 5 Jahre.
  • Diese Weiterbildung hat einen anderen sozialrechtlichen Status als die ehemalige Ausbildung, weshalb Psychologen in Weiterbildung nach dem neuen Modell einen Anspruch auf Vergütung ihrer Tätigkeit haben.

2. Ärztlicher Psychotherapeut

Zum ärztlichen Psychotherapeuten führen mehrere Wege. Allen ist gemeinsam, dass zunächst das Medizinstudium absolviert werden muss. Das dauert schon mal 6 Jahre, inklusive dem Praktischen Jahr. Im Anschluss daran erhalten die Absolventen ihre Approbation.

Danach muss noch eine 5-jährige Weiterbildung zum Facharzt angehängt werden (unabhängig davon, für welchen Behandlungsbereich man sich entscheidet). Wenn das Ziel der Psychotherapeut ist, kommen hierfür drei Facharztweiterbildungen in Frage:

  • Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
  • Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
  • Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie

Als letzte Variante ist es noch für Fachärzte anderer Richtungen möglich, nach Abschluss ihrer Facharztweiterbildung eine weniger umfangreiche Zusatzausbildung zum fachgebundenen Psychotherapeuten zu absolvieren. Damit darf der Arzt aber nur solche Fälle behandeln, die aus der eigenen Fachrichtung kommen, z.B. wenn bestimmte körperliche Erkrankungen zu psychischen Beeinträchtigungen führen.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass ärztliche Psychotherapeuten, genauso wie psychologische Psychotherapeuten, immer eine umfangreiche Ausbildung durchlaufen haben, die 8-11 Jahre umfasst. Auch wenn es manchen Absolventen verständlicherweise noch an Berufs- oder Lebenserfahrung mangelt, so ist durch die Gesetzgebung gewährleistet, dass bestimmte Qualitätsständards (z.B. die Anwendung evidenzbasierter Methoden) bei der Behandlung von Patienten eingehalten werden.

3. Heilpraktiker für Psychotherapie

Der Heilpraktiker für Psychotherapie unterscheidet sich deutlich von den anderen beiden Möglichkeiten. Die Ausgangsfrage lautete: Wie wird man Psychotherapeut? Daher muss man sagen: Per Gesetz kann nur jemand Psychotherapeut werden bzw. sich so nennen, der ein Psychologie- oder Medizinstudium sowie eine mehrjährige Aus-/Weiterbildung absolviert hat.

Dennoch gibt es es die Möglichkeit, über den Weg des Heilpraktikers für Psychotherapie psychotherapeutische Leistungen anzubieten. An der Formulierung zeigt sich, dass diese Berufsbezeichnung nicht den geschützten Begriff des Psychotherapeuten enthält, auch wenn Außenstehende diesen Umstand nur schwer erkennen können. Doch was hat es mit dieser alternativen Berzufsbezeichnung auf sich?

Andere Voraussetzungen zur Erlangung der Heilpraktikererlaubnis

Heilpraktiker für Psychotherapie verfügen nicht wie psychologische oder ärztliche Psychotherapeuten über eine Approbation, sondern über eine Erlaubnis zur Ausübung von Heilkunde nach dem Heilpraktikergesetz. Daraus folgt unter Anderem, dass Heilpraktiker für Psychotherapie ihre Leistungen nicht über die Krankenkassen abrechnen können, sondern die Behandlungen – reguliert über die Gebührenordnung für Heilpraktiker – für Selbstzahler anbieten.

Voraussetzung zur Erteilung der Erlaubnis nach der aktuellen Rechtslage ist, das der Antragsteller mindestens 25 Jahre alt ist, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und einen Hauptschulabschluss hat. Man muss eine Prüfung beim Gesundheitsamt ablegen, welche Fragen zu psychiatrischen Krankheitsbildern und psychotherapeutischen Behandlungsansätzen umfasst.

Prüfungsvorbereitende Kurse haben mitunter lediglich einen Umfang von ca. 120 Stunden. Mit dem Bestehen der Prüfung zeigt der Antragsteller, dass er bei der Ausübung der Heilkunde keine Schäden an seinen Patienten verursacht. Wichtig ist zu erwähnen, dass es sich hierbei um die Minimalanforderungen handelt. Es gibt viele Heilpraktiker für Psychotherapie, die zuvor ein Psychologiestudium oder ein Studium aus einem anderen Fachbereich absolviert haben. Dennoch kann über diesen Weg auch jemand ohne jegliche psychologische oder medizinische Voraussetzungen Psychotherapie anbieten.

Insgesamt ist es daher so, dass die Qualifikationen unter Heilpraktikern für Psychotherapie sehr unterschiedlich sein können. Ein Laie, der schon mit der Unterscheidung Psychologe-Psychotherapeut-Psychiater Schwierigkeiten hat, wird es mit dieser Berufsbezeichnung nicht leichter haben. Die Anforderungen an die Ausbildung des Heilpraktikers für Psychotherapie sind daher auch gerade Thema auf Bundesebene. Warum genau, wird im Artikel Der Heilpraktiker für Psychotherapie ist auf dem Prüfstand erläutert.

Fazit

In Deutschland gibt es zwei Möglichkeiten, um Psychotherapeut zu werden. Entweder über ein Psychologie- oder ein Medizinstudium sowie einer zusätzlichen mehrjährigen Aus- oder Weiterbildung. Außerdem besteht die Option, über den Weg des Heilpraktikers für Psychotherapie psychotherapeutische Leistungen für Selbstzahler anzubieten.

Wer selbst Psychotherapeut werden möchte, kann nun vielleicht besser abschätzen, ob sich dieser Weg für ihn trotz der Bemühungen lohnt. Und all diejenigen, die selbst nach einem geeigneten Psychotherapeuten suchen, können jetzt die zugrundeliegenden Qualifikationen der Psychotherapeuten besser einschätzen.

Wie ist das bei euch? Würde euch der hohe Aufwand und die lange Ausbildungsdauer von diesem Berufsziel abschrecken? Ich freue mich über eure Kommentare!

Literatur & Links

https://www.therapie.de/psyche/info/fragen/wichtigste-fragen/aerztlicher-psychotherapeut/

https://www.therapie.de/psyche/info/psychotherapie-ausbildung/wissenswertes/ausbildungstabelle/#c1499

http://www.psychologie-muenchen.de/therapie/informationen/aerztlicher-psychotherapeut/

https://www.psychologie-studieren.de/ausbildungen/psychologischer-psychotherapeut/

https://www.kbap.de/fileadmin/processed/5/f/csm_UEbersicht_Reform_200124__1__a042425b21.jpg

https://www.kbap.de/reform-der-psychotherapeutenausbildung-ab-2020/

https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/aerztliche-psychotherapie-herpertz.pdf

Ein Kommentar

  1. Mich persönlich hat schon seit meiner Kindheit das allgemeine Verhalten von Menschen interessiert und wie unterschiedlich jeder mit Emotionen und Gefühlen umgeht. Nach meiner Fachschule möchte eine Ausbildung im Bereich der humanistischen Psychotherapie machen. Demnächst beginne ich mit der Suche nach einem passenden Institut.

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