Selbstverletzendes Verhalten und Suizidalität im Jugendalter

Selbstverletzendes Verhalten und Suizidalität im Jugendalter

Das Jugendalter ist eine Phase des Übergangs und der Suche nach Identität, geprägt von hormonellen Veränderungen, sozialen Herausforderungen und inneren Unsicherheiten. Manche Jugendliche sind in dieser Zeit mit schwerwiegenden emotionalen Belastungen konfrontiert, die sich in selbstverletzendem Verhalten und erhöhter Suizidalität äußern. Dieser Artikel hilft dabei, das Phänomen selbstverletzendes Verhalten und Suizidalität im Jugendalter besser zu verstehen.

Gründe für selbstverletztendes Verhalten im Jugendalter

Selbstverletzendes Verhalten, oft als “Selbstverletzung” bezeichnet, ist eine Form der Bewältigung von emotionalen Schmerzen. Jugendliche, die sich selbst verletzen, können das durch Ritzen, Verbrennen, Schlucken von Gegenständen, Ausreißen von Haaren etc. tun. Selbstverletzendes Verhalten dient oft als Ausdruck für innere Qualen, die verbal nicht ausgedrückt werden können. Mögliche Gründe dafür sind:

  1. Emotionale Belastungen: Betroffene können mit intensiven Emotionen wie Wut, Traurigkeit, Frustration oder Verzweiflung konfrontiert sein, die sie möglicherweise nicht angemessen ausdrücken können.
  2. Psychische Gesundheitsprobleme: Das Vorhandensein von psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörung oder Essstörungen kann das Risiko für selbstverletzendes Verhalten erhöhen.
  3. Familiäre Konflikte: Schwierigkeiten im familiären Umfeld, wie Konflikte, Trennung, Scheidung, oder Vernachlässigung, können einen erheblichen emotionalen Stress verursachen.
  4. Mobbing: Opfer von Mobbing können sich hilflos und überwältigt fühlen, was zu einem Rückgriff auf selbstverletzendes Verhalten als Bewältigungsstrategie führen kann.
  5. Identitätssuche: In der Pubertät suchen Jugendliche nach ihrer Identität und versuchen, ihre Platz in der Gesellschaft zu finden. Die Unsicherheit und der Druck, dazu gehören zu wollen, können selbstverletzendes Verhalten auslösen.
  6. Sozialer Druck und Erwartungen: Der zunehmende Druck von Gleichaltrigen, Schule oder Gesellschaft kann zu Gefühlen von Unzulänglichkeit führen, was wiederum zu selbstverletzendem Verhalten führen kann.
  7. Traumatische Erfahrungen: Jugendliche, die traumatische Erlebnisse wie Missbrauch, Unfälle oder Verluste erfahren haben, können Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen zu verarbeiten.
  8. Ungesunde Bewältigungsmechanismen: Selbstverletzung kann als eine ungesunde Art der Bewältigung dienen, um mit Stress, Schmerz oder emotionalen Herausforderungen umzugehen.
  9. Selbstwertprobleme: Ein niedriges Selbstwertgefühl und das Gefühl der Wertlosigkeit können Jugendliche dazu veranlassen, sich selbst zu bestrafen oder einen Ausdruck von innerem Schmerz zu suchen.
  10. Neugier und Gruppendynamik: Manchmal kann selbstverletzendes Verhalten auch durch Neugier oder die Beeinflussung von Gleichaltrigen entstehen. Aufrufe in Socialmedia (z.B. TikTok) können Jugendliche dazu anregen, selbstverletztendes Verhalten auszuprobieren.

Gründe für Suizidalität im Jugendalter

Suizidalität bei Jugendlichen ist ein komplexes Problem, das auf verschiedene individuelle und soziale Faktoren zurückzuführen ist. Da selbstverletztendes Verhalten häufig in Kombination mit suizidalen Gedanken auftritt, überschneiden sich einige der hier genannten möglichen Gründe für Suizidalität im Jugendalter mit den bereits zuvor genannten:

  1. Psychische Erkrankungen: Jugendliche, die an psychischen Erkrankungen wie Depressionen, bipolaren Störungen, Angststörungen oder Borderline-Persönlichkeitsstörungen leiden, haben ein erhöhtes Risiko für suizidale Gedanken und Handlungen.
  2. Familiäre Probleme: Konflikte, Trennungen, Scheidungen, häusliche Gewalt oder Vernachlässigung innerhalb der Familie können erheblichen emotionalen Stress verursachen und das Risiko für Suizidalität erhöhen.
  3. Akute Krisen: Plötzliche, traumatische Ereignisse wie der Verlust eines geliebten Menschen, Unfälle oder persönliche Krisen können das emotionale Gleichgewicht von Jugendlichen stark belasten.
  4. Mobbing und soziale Isolation: Opfer von Mobbing können unter starkem emotionalen Druck stehen. Die soziale Isolation und das Gefühl des Nicht-Dazugehörens können zu schweren seelischen Belastungen führen, verbunden mit dem Wunsch, an diesem Leben nicht mehr teilhaben zu wollen.
  5. Identitätsprobleme: Die Suche nach Identität und die Unsicherheit über die eigene Zukunft können Jugendliche emotional überfordern und zu Suizidalität führen.
  6. Schulische Herausforderungen: Hoher Leistungsdruck, Schwierigkeiten in der Schule oder wiederholte Misserfolge können das Selbstwertgefühl beeinträchtigen und suizidale Gedanken auslösen.
  7. Substanzmissbrauch: Der Konsum von Drogen oder Alkohol kann das Urteilsvermögen von Jugendlichen beeinträchtigen und das Risiko für impulsive suizidale Handlungen erhöhen.
  8. Genetische Veranlagung: Eine familiäre Vorgeschichte von psychischen Erkrankungen oder Suizid kann das Risiko für suizidales Verhalten im Jugendalter erhöhen.
  9. Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität: LGBTQ+-Jugendliche können aufgrund von Diskriminierung und Ablehnung ein erhöhtes Risiko für suizidale Gedanken und Handlungen haben.
  10. Mangelnde Zugangsmöglichkeiten zu Hilfe: Wenn Jugendliche Schwierigkeiten haben, auf angemessene psychische Gesundheitsversorgung zuzugreifen, kann dies das Risiko für Suizidalität erhöhen.

Selbstverletzendes Verhalten und Suizidalität bei Jugendlichen – Prävention und Intervention

Die Prävention und Intervention bei selbstverletzendem Verhalten und Suizidalität bei Jugendlichen erfordert einen gezielten und koordinierten Ansatz von Fachleuten, Erziehungsberechtigten, Schulen und der Gemeinschaft. Hier sind einige Schlüsselkomponenten für Präventions- und Interventionsmaßnahmen:

Prävention:

  1. Früherkennung und Schulung: Lehrkräfte, Eltern und andere Betreuungspersonen sollten auf Anzeichen von selbstverletzendem Verhalten und suizidalen Gedanken geschult werden, um frühzeitig eingreifen zu können. Sensibilisierungsprogramme in Schulen können ebenfalls dazu beitragen, das Bewusstsein zu schärfen.
  2. Förderung der psychischen Gesundheit: Schulen sollten Programme zur Förderung der psychischen Gesundheit implementieren, die Jugendlichen helfen, ihre emotionalen und sozialen Fähigkeiten zu stärken. Dies kann Resilienz fördern und den Umgang mit Stress verbessern.
  3. Aufklärung über psychische Gesundheit: Eine offene Diskussion über psychische Gesundheit und den Umgang mit Stress sollte Teil des Schulunterrichts sein. Dadurch wird das Stigma verringert, und Jugendliche können lernen, über ihre Gefühle zu sprechen.
  4. Zugang zu Beratungsdiensten: Schulen sollten leicht zugängliche Beratungsdienste anbieten, in denen Jugendliche professionelle Unterstützung erhalten können. Dies kann in Form von Schulpsychologen, Sozialarbeitern oder externen Beratungsdiensten erfolgen.
  5. Familienunterstützung: Eltern und Erziehungsberechtigte sollten in erster Linie unterstützt werden, um ein unterstützendes Familienumfeld zu schaffen. Familientherapie oder Elternschulungen können dabei helfen.

Intervention:

  1. Frühzeitige Identifikation: Schulen und Gemeinschaften sollten Mechanismen zur frühzeitigen Identifikation von Jugendlichen mit SVV oder suizidalen Gedanken einführen. Dies könnte durch regelmäßige Schulungen für Fachleute und Lehrkräfte erreicht werden.
  2. Professionelle Hilfe: Jugendliche, die SVV oder suizidale Gedanken zeigen, sollten sofort professionelle Hilfe erhalten. Psychotherapeuten können die zugrunde liegenden Probleme diagnostizieren und geeignete Behandlungspläne erstellen.
  3. Krisenintervention: Im Falle einer akuten Krise sollten Jugendliche Zugang zu Kriseninterventionsdiensten haben. Dazu gehören Notfallhotlines, Kriseninterventionszentren und mobile Krisenteams.
  4. Sicherheitsplan: Jugendliche, die bereits selbstverletzendes Verhalten oder suizidale Gedanken gezeigt haben, sollten zusammen mit Fachleuten und ihren Familien einen Sicherheitsplan (auch “Notfallplan”) entwickeln. Dieser Plan kann Strategien zur Bewältigung von Krisensituationen enthalten.
  5. Koordination der Versorgung: Fachleute aus verschiedenen Bereichen, einschließlich Schulpsychologen, Therapeuten, Ärzten und Familien, sollten zusammenarbeiten, um eine zielgerichtete Versorgung sicherzustellen. Dies kann den Informationsaustausch und die Überweisung zu Spezialisten einschließen.

Wie sollten sich Angehörige verhalten?

Wichtig ist, dass Eltern oder Freunde den betroffenen Jugendlichen aufrichtiges und respektvolles Interesse entgegenbringen. Bleiben Sie ruhig und machen Sie sich auch Ihre eigenen Gefühle (Hilflosigkeit, Wut, Trauer usw.) bewusst.

Führen Sie ein persönliches Gespräch durch und fragen Sie respektvoll nach (Warum kommt es zu selbstverletzendem Verhalten? Was sind die Auslöser? Wie genau werden die Handlungen durchgeführt? Wie fühlt sich der bzw. die Jugendliche danach?). Denken Sie daran dass sie möglichst keinen Druck ausüben, oder ein Gespräch erzwingen wollen, selbst wenn Sie den Drang verspüren, unbedingt “handeln zu müssen”.

Falls notwendig, versorgen Sie die offene Wunden ohne übermäßige Reaktion, also vermeiden Sie z.B. lautes aufstöhnen, die Luft hörbar anhalten, oder Äußerungen wie “oh nein”, “das sieht ja schlimm aus” etc. Zeigen Sie Verständnis dafür, dass der Betroffene nicht weiß, mit welchen anderen Strategien er bzw. sie den “Druck” bewältigen kann.

Akzeptieren Sie die Person, vermeiden Sie Vorwürfe und Forderungen, sagen Sie dass Sie für die Person da sind und ermutigen Sie ihn bzw. sie, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Stellen Sie gegebenenfalls Ihre Unterstützung für die Begleitung zu einem Termin (Vertrauenslehrer, Beratungsstelle, Arzt, Psychologe) zur Verfügung.

Selbstverletzendes Verhalten und Suizidalität im Jugendalter – Fazit

Das Jugendalter ist eine sensible Phase, die von zahlreichen Herausforderungen geprägt ist. In dieser Zeit können einige Jugendliche mit schweren emotionalen Belastungen konfrontiert werden, die sich in selbstverletzendem Verhalten und einer erhöhten Suizidalität manifestieren.

Das selbstverletzende Verhalten von Jugendlichen stellt eine Bewältigungsstrategie für emotionale Schmerzen dar. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von emotionalen Belastungen über psychische Gesundheitsprobleme bis hin zu familiären Konflikten und sozialen Herausforderungen.

Suizidalität im Jugendalter ist ein komplexes Problem mit individuellen und sozialen Ursachen. Die Überschneidung mit selbstverletzendem Verhalten ist häufig, und verschiedene Faktoren wie psychische Erkrankungen, familiäre Probleme, Identitätsprobleme und soziale Isolation können dazu beitragen.

Verschiedene Strategien der Prävention und Intervention können dabei helfen, auf selbstverletzendes Verhalten und Suizidalität im Jugendalter angemessen reagieren zu können.

Links

https://www.westpfalz-klinikum.de/psyso/hilfen/tipps-und-strategien/selbstverletzendes-verhalten

https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugendpsychiatrie-psychosomatik-und-psychotherapie/warnzeichen/selbstverletzendes-verhalten-svv/

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